Peter Eichhorn, Thomas Götz

Berlin. Sakrale Orte

Peter Eichhorn, Thomas Götz, Berlin. Sakrale Orte, Grebennikov Verlag, Berlin 2010, 160 Seiten, 29,90 Euro.


Der Bildband hat sich zum Ziel gesetzt, eine umfangreiche Darstellung der wichtigsten sakralen Orte Berlins zu bieten. Er beschränkt sich dabei ausdrücklich nicht nur auf evangelische und katholische Gotteshäuser; vielmehr soll die religiöse Pluralität Berlins in all ihren Facetten im Vordergrund stehen. In der langen und wechselvollen Geschichte der Stadt spielte Religion immer eine wichtige Rolle im Leben der Bevölkerung, auch wenn heute, wie in der Einleitung des Bildbands erwähnt, ungefähr die Hälfte der Einwohner keiner Glaubensgemeinschaft angehört. Mit immerhin noch 35 Prozent Christen, 7 Prozent Muslimen und Mitgliedern vieler anderer, kleinerer Religionsgemeinschaften ist Berlin aber bei Weitem kein religionsloser Ort.Wer aufmerksam durch Berlins Straßen geht, entdeckt allerhand spirituelle Orte, die die Geschichte der Stadt begleitet und geprägt haben. Der Bildband präsentiert diese Stätten nicht nur fotografisch, er stellt sie auch in einen geschichtlichen Zusammenhang zur Stadtentwicklung. Anhand der zu verschiedenen Zeiten entstandenen Sakralbauten werden die jeweiligen Geschichts- und Bauepochen Berlins dargestellt. Ein kurzer Einleitungstext mit Informationen zur Entstehungsgeschichte der einzelnen Gebäude eröffnet jedes Kapitel und gibt Hintergrundinformationen zu den Bildern.So werden im ersten Kapitel „Vom Mittelalter zur Reformation“ die ersten großen Stadtkirchen, wie beispielsweise die 1452 gestiftete Nikolaikirche, den vielen kleinen Dorfkirchen gegenübergestellt. Diese damals in den Randdörfern um Berlin entstandenen Kirchengebäude befinden sich heute größtenteils in den verschiedenen Stadtbezirken und geben damit Zeugnis vom immensen Wachstum Berlins.In den nachfolgenden Abschnitten „Neuanfang nach dem Dreißigjährigen Krieg“ und „Berlin als barocke Residenzstadt“ steht der Neubau von meist evangelischen Gotteshäusern nach den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges im Mittelpunkt. Stilistisch besonders prägend ist der zu Beginn des 17. Jahrhundert von aus Frankreich eingewanderten Hugenotten errichtete Französische Dom. Mit dem ihm gegenüberliegenden, im Stil verwandten Deutschen Dom prägt er den Gendarmenmarkt, der bis heute als einer der beliebtesten Touristenplätze gilt.Mit der zunehmenden Bedeutung Berlins im 19. Jahrhundert entstehen Gebäude und Kirchen von noch größerer Repräsentanz, erbaut durch berühmte Architekten wie Karl Friedrich Schinkel, die mit ihren Bauten den Klassizismus stark prägten. Das weitgehend christlich geprägte Berlin beginnt sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einen Schmelztiegel der Kulturen zu verwandeln. Erste Moscheen entstehen, so im Jahr 1924 die Ahmadiyya-Moschee, in der ein unverwechselbarer indischer Stil zum Tragen kommt und die auf die Herkunft der Ahmadiyya-Gemeinschaft verweist. Aber auch Buddhismus und Hinduismus fassen langsam Fuß und werden durch eigene Gebetsorte sichtbar.Im Kapitel „Neue Konfessionen im 20. Jahrhundert“ werden sakrale Gebäude verschiedener Religionen wie orthodoxe Kirchen, Moscheen oder der Shaolin-Tempel vorgestellt. Ein besonders schönes Beispiel für die türkisch-islamische Architektur ist die in Neukölln auf dem Gelände des ältesten islamischen Friedhofs in Deutschland gebaute Sehitlik-Moschee. Die russisch-orthodoxe „Heilige-Konstantin-und-Helena-Kirche“ im Stadtteil Tegel ist mit ihren zahlreichen Ikonenbildern und der reich verzierten und vergoldeten Altartür eine besondere Sehenswürdigkeit. Auch die Kirchen der griechisch-orthodoxen und koptischen Gemeinde finden in diesem Kapitel ihren Platz und führen die Vielfalt der christlichen Konfessionen in Berlin vor Augen. Den Abschluss des Kapitels bilden das im Jahr 1923 von Paul Dahlke initiierte Buddhistische Haus und der aus Taiwan stammende Fo-Guang-Shan-Tempel, der für viele in Berlin lebende Chinesen einen spirituellen Anlaufpunkt darstellt. Die Bilder dieses Kapitels bieten sehr viel Abwechslung und geben einen Einblick in die vielfältige religiöse Landschaft des modernen Berlin. In der Gegenüberstellung verschiedenster sakraler Bauten entfaltet der Bildband seinen vollen Reiz, der leider durch die Kürze des Kapitels etwas getrübt wird.Der nachfolgende und umfangreichste Abschnitt widmet sich der Zerstörung sakraler Bauten im Zweiten Weltkrieg und den nicht zu übersehenden Lücken, die dadurch in die Architektur Berlins gerissen wurden. Eindrücklich werden die Zerstörungen des Krieges dokumentiert, aber auch der Neuanfang wird aufgezeigt. Evangelische und katholische Kirchen im expressionistischen Stil stehen im Mittelpunkt der Betrachtung. Die Bilder geben einen Einblick in die moderne Kirchenarchitektur und vermitteln eindringlich die Farbvielfalt des Expressionismus. Abgerundet wird der Bildband mit der Angabe der Adressen aller abgebildeten Orte.Insgesamt betrachtet ist „Berlin – Sakrale Orte“ ein durchaus gelungener Bildband, der vor allem durch seinen historischen Zugang in der Darstellung der sakralen Architekturgeschichte Berlins überzeugt. Die kurzen Einführungen sind informativ und geben einen Überblick über die Bilder des folgenden Kapitels. Die Bildqualität ist meist gut, doch leider sind vereinzelte Bilder etwas unscharf. Entschädigt wird der Leser aber durch die große Vielfalt und die Fülle an Bildern, die konzeptionell gut zusammengestellt wurden.


Rabih El-Dick, Hildesheim