Esoterik

Aus dem Leben einer Elfenbeauftragten

Wer hat noch nicht von ihr gehört, der Elfenbeauftragten von Island? Als genau diese ist Erla Stefándsdóttir berühmt geworden. Der Künstler Wolfgang Müller (auch bekannt als Úlfur Hródólfsson) erfand, nach einem langen Interview mit der dreifachen Mutter, in einem Artikel in der Frankfurter Rundschau (30.12.1995) den Begriff der „Elfenbeauftragten“. Die Wortschöpfung wurde, besonders in Deutschland, von den Medien begeistert aufgenommen und weiterverbreitet. So entstand der Mythos, der sich um eine geheimnisvolle Frau rankt, über die es aber kaum weitere Informationen im Internet gibt.

Was hat es mit der Elfenbeauftragten auf sich? Bei einer Baugenehmigung ist in Island tatsächlich zu berücksichtigen, dass Kulturgüter, z. B. große Steine oder Hügel, die von der Bevölkerung als von Elfen bewohnt angesehen werden, zu schützen sind. So gibt es Straßen, die um ein solches Kulturgut herumgebaut wurden. Das bekannteste ist wohl der Álfholsvegur („Elfenhügelweg“). Erla Stefánsdóttier war laut Medienberichten auch hier gerufen worden und schützte das Elfenheim vor der Zerstörung durch Bagger.

Die Welt der Elfenbeauftragten ist bunt, voller Geschöpfe, die außer ihr niemand sehen kann. Schon als Kind hat sie Blumenfeen gejagt, mit Zwergen gegessen und mit Geistern gespielt. Über all das hat Erla nun berichtet. Sie beschreibt in ihrem Buch „Lifssýn min. Lebensgeschichten einer Elfenbeauftragten“, erschienen im Esoterikverlag Neue Erde (Saarbrücken 2007) nicht nur kleine Anekdoten aus ihrem – zugegeben außergewöhnlichen – Alltag, die sie mit netten, etwas kindlichen Zeichnungen ergänzt, sondern erläutert auch ihr Weltbild, das ein Sammelsurium an verschiedenen Überzeugungen und Denkweisen der gängigen esoterischen Praktiken ist, die sich erstaunlicherweise bei ihr nicht widersprechen, sondern ein wundersames Gesamtbild ergeben. Reinkarnation, inklusive Wartesaal, in dem die Verstorbenen auf ihren Reisepass zur Grenzüberschreitung warten (in dem Erla nach eigenen Berichten übrigens selbst auch schon war, aber wieder zurückgeschickt wurde), gepaart mit Gebeten zu Jesus oder Maria, Yoga in einer anderen, der geistigen Welt, Texte der indischen Veden, Zitate aus der Bibel und ein Spritzer Platon sind wesentliche Zutaten zu ihrem weltumfassenden Gesamtwerk, das sie auch noch mit Anweisungen und Erläuterungen für das praktische Leben des geneigten Lesers garniert.

Die über 70-jährige Klavierlehrerin wird gerufen, um festzustellen, ob an einem bestimmten Ort Astralwesen wohnen, ein Energiestrom quer durch einen Raum verläuft oder Verstorbene im Haus spuken. Sie wird von Privatpersonen beauftragt, die verhindern wollen, dass Elfen, Trolle oder Nymphen aufgeschreckt oder sogar rachsüchtig werden. Medienberichten zufolge soll sie sogar von einem Ministerium konsultiert werden, wenn es um Elfenfragen geht.

Im Laufe der Jahre hat Erla Stefánsdóttir immerhin drei Elfenkarten gezeichnet, die nicht nur von Touristen gerne gekauft werden. Viele Isländer sollen mit der Existenz von Elfen und anderen geheimnisvollen Wesen rechnen. Die protestantische Staatskirche begehrt hin und wieder auf, wenn der Kult um den Aberglauben überhand nimmt, aber das kümmert die Isländer kaum. Da das Christentum offiziell erst 1000 n. Chr. in des Land der Vulkane und Geysire kam und die heidnischen Überzeugungen weiterhin toleriert wurden, wundert es nicht, dass die christliche Religion sich bis heute einen Platz mit den unsichtbaren Wesen, mit den Energieströmen, Auren und Chakren teilen muss. Es kommt hinzu, dass der neuzeitliche Spiritismus in Island auf fruchtbaren Boden fiel.

Ausgestattet mit Pendel und Wünschelrute eifern die Menschen Erla Stefánsdóttir aber nicht nur in Island nach, auch in Deutschland wird sie seit ihrem Bekanntwerden verehrt. Ganze Internetseiten widmen sich den Elfen, Beweisfotos werden gezeigt und die neuesten Erkenntnisse ausgetauscht. In der Esoterikszene gilt die halboffizielle Tätigkeit der Elfenseherin als Beweis dafür, dass es die Fabelwesen wirklich gibt. Der Mensch habe nur verlernt, sie zu sehen. Das Leben wirke ein wenig bezaubernder oder besser verzauberter, wenn jeder Stein belebt und jeder Gedanke farblich erfassbar sei. Auch wenn man stark an ihrem Wahrheitsgehalt zweifeln mag – die Geschichten der Elfenseherin sind so (schaurig-)schön, phantasievoll und unterhaltsam wie Märchen.


Katrin Schulz, Berlin