Lale Akgün

Aufstand der Kopftuchmädchen. Deutsche Musliminnen wehren sich gegen den Islamismus

Lale Akgün, Aufstand der Kopftuchmädchen. Deutsche Musliminnen wehren sich gegen den Islamismus, Piper Verlag, München 2011, 277 Seiten, 16,95 Euro.


Lale Akgün, in Istanbul geborene Diplom-Psychologin, Muslimin und SPD-Politikerin (Mitglied des Deutschen Bundestags von 2002 bis 2009), setzt sich in ihrem Buch mit dem Islam in Deutschland auseinander und zeigt sehr schnell, dass es „den Islam“ gar nicht gibt. Sie unterscheidet klar zwischen Islam und Islamismus. Sie selbst spricht sich für einen modernen Islam aus und betont, dass sie nicht bereit sei, diese Religion den „Ewiggestrigen“ zu überlassen. Ihre Themen umfassen ein weites Spektrum: Es geht um Ökologie, das Verhältnis von Mann und Frau, die fünf Säulen des Islam sowie vermeintlich islamische Speisevorschriften und deren lukrativen Markt. Angesichts dieser breit gefächerten Themenfelder ist allerdings nur eine recht oberflächliche Behandlung möglich.Die Kritik der Autorin richtet sich vor allem gegen „ultraorthodoxe Muslime“, die das Bild des Islam in der Öffentlichkeit prägen würden, wie auch gegen etablierte muslimische Verbände und Institutionen in Deutschland, die einen unmodernen und nicht mehr zeitgemäßen Islam darstellten, den die Autorin ablehnt. In diesem Zusammenhang scheut sie deutliche Worte und klare Forderungen wie z. B. eine zeitgemäße und gleichberechtigte Koranauslegung nicht. Ihre Sicht des Korans deckt sich mit der sogenannten „Ankara-Schule“, die den Koran in seinem historischen Kontext interpretiert. Mithilfe aufgeklärter Theologinnen dieser Schule wendet sie sich gegen die von den „Ultraorthodoxen“ erhobenen Vorschriften. Die Autorin versucht, die modernen Musliminnen und Muslime aufzuwecken und ihnen eine Stimme zu geben.Kritisch geht sie ebenfalls mit dem Totschlagargument Islamophobie um. Sie ist bemüht, einerseits aufzuzeigen, dass Islamophobie genutzt wird, um jegliche Kritik am Islam im Keim zu ersticken. Andererseits merkt sie an, dass scharfe Verachtung und Sanktionen seitens der Bundesregierung und ihrer Organe z. B. nicht stattfänden, um nicht als islamophob zu gelten. Es geht ihr nicht darum, auf einer Seite zu stehen, sodass ihre Kritik sich an viele Adressaten richtet. Das Buch schließt mit drei Forderungen, die sich an die Muslime, an die Politik und an die Mehrheitsgesellschaft richten mit dem Ziel, den Islam in ein modernes und aufgeklärtes Licht zu rücken, wo er nach Meinung der Autorin hingehört. Die Forderung an die Muslime beinhaltet die Aufforderung, den eigenen Verstand zu benutzen, um den Islam zu modernisieren; die Politik wird aufgefordert, liberale muslimische Gemeinden zu unterstützen und ihnen eine Plattform zu geben, und gleichzeitig darf der Staat keiner religiösen Gruppe mehr Rechte eingestehen als einer anderen. Zuletzt wird die Mehrheitsgesellschaft aufgefordert, sich ein differenziertes und kritisches Bild von „den Muslimen“ zu machen und Bereitschaft zu zeigen, Neues zu lernen.„Aufstand der Kopftuchmädchen“ ist ein guter, in verständlicher und eingängiger Sprache geschriebener Einstieg in die Thematik, da das breite Spektrum der Sichtweisen zumindest ansatzweise verdeutlicht wird und moderne Argumentationsweisen aufgezeigt werden.
 

Verena Tönnes, Berlin