Islam

Aufmerksamkeit für Muhammad Asad

Man spricht schon von einer Muhammad Asad Renaissance. In den Kinos ist jetzt der bereits im Vorfeld viel beachtete Dokumentarfilm „Der Weg nach Mekka – Die Reise des Muhammad Asad“ von Georg Misch zu sehen. Im Patmos-Verlag sind soeben das Hauptwerk des Gelehrten (Die Botschaft des Koran – Übersetzung und Kommentar, aus dem Englischen übertragen von Ahmad von Denffer und Yusuf Kuhn) und seine spirituelle Autobiographie (Der Weg nach Mekka) erschienen. Muhammad Asad sei „das Geschenk Europas an den Islam“, so Murad Wilfried Hofmann anlässlich eines Podiumsgesprächs zur Buchvorstellung in Berlin, wo er als Schüler des 1992 verstorbenen Gelehrten vorgestellt, ja geradezu als sein Vermächtnisverwalter gefeiert wurde. Vielleicht hätte es zutreffender lauten müssen: Asad könnte ein Geschenk Europas an den Islam sein, so er denn mehr Beachtung in der islamischen Welt fände.

Einer der bemerkenswertesten islamischen Intellektuellen des 20. Jahrhunderts ist Leopold Weiss alias Muhammad Asad (1900-1992) zweifellos, der als Nahost-Korrespondent der „Frankfurter Zeitung“ begann und im Laufe seines langen Lebens zum bedeutenden Kulturvermittler und Wegbereiter für einen Dialog zwischen dem Islam und dem Westen wurde. Leopold Weiss wurde 1900 im galizischen Lemberg in eine jüdische Akademikerfamilie geboren, nahm 1926 den Islam und damit den Namen Muhammad Asad („Löwe“) an, bereiste weite Teile der islamischen Welt und machte sich nicht nur als international anerkannter Diplomat, sondern besonders durch die enorm weit verbreitete englischsprachige Koranübersetzung samt Kommentar „The Message of the Qur’an“ (1980) einen Namen.

Nun liegt das Werk erstmals in deutscher Sprache vor. Nach großen Vorbildern wie Razi, Zamakhschari und Muhammad Abduh bietet Asad eine rationale bis rationalistische Koraninterpretation, die in reichhaltigen Fußnoten und Anhängen dokumentiert ist. Viele problematische Stellen werden metaphorisch oder auch psychologisierend gedeutet. So werden etwa die Dschinn (Geister) als geheimnisvolle Naturkräfte beschrieben, denen die menschliche Psyche ausgesetzt sei. Dennoch wurden gerade die rationalisierenden und kontextualisierenden Elemente seiner Auslegung kaum weiterverfolgt. In Saudi-Arabien, wo Asad lange gelebt hatte und Berater des saudischen Königshauses gewesen war, wurde sein Buch umgehend vernichtet.

Angesichts der Gelehrsamkeit Asads und der in seinem Werk sich anbietenden Diskussionspunkte zum Verständnis etwa der Koransymbolik oder der Scharia in der Moderne ist es schade, dass das erwähnte Podiumsgespräch zu einer oberflächlichen Werbeveranstaltung wurde. Die Moderation von Islamkonvertitin Kristiane Backer („Von MTV nach Mekka“) konnte (oder: sollte?) dem auch nicht entgegenwirken. Sie bot Murad Hofmann ein Forum, das Peter Heine (Humboldt-Universität, Berlin) und Elmar Theveßen (ZDF) nahezu nur als Randfiguren zieren konnten.

Asads Beitrag zu einer sprachlich-kulturell genauen und historisch orientierten Lektüre des Korans ist damit noch nicht gewürdigt. In nächster Zeit ist in dieser Hinsicht jedoch sicherlich mehr zu erwarten.


Friedmann Eißler