Pfingstbewegung

Apostel Charles Ndifon und die Nacht der Wunder in Zürich (17. Juni 2007)

(Letzter Bericht: 12/2007, 466ff) Der nigerianische Apostel Charles Ndifon kennt nicht nur einen großen Gott, der entsprechend große Wunder tut. Er ist auch fraglos überzeugt, dass der Himmel mit seinen Wundern jedes Mal zur Stelle ist, wenn Ndifon diesen Himmel beschwört. Im persönlichen Gespräch vor seinem Auftritt in der „Nacht der Wunder“ in der alten Börse in Zürich (17. Juni 2007) zeigt er sich als Gottesmann mit einzigartigem Selbstbewusstsein oder Gottvertrauen: Noch nie hat sich eines der unzähligen Wunder, die er in seinem Dienste schon erleben durfte, nachträglich als Flop, als flüchtiges Gefühl momentaner Erleichterung ohne dauerhafte Veränderung, erwiesen. Auch das Gerücht, dass die Spitäler sich leeren nach einem Besuch von Ndifon, dass er fünf Tote auf einmal in Mexiko ins Leben zurückgeholt hat, dass ein wahrer Christ überhaupt keine Krankheit kennt, sondern – offenbar bei guter Gesundheit – im hohen Alter stirbt, all diese überzogenen und realitätsfernen Ndifon-Thesen bestätigt Ndifon, übers ganze Gesicht lachend, wie wenn das Unmögliche ihm so nahe stünde wie sein blendend weißes Gewand. Mein Einwand, dass Christen oft gehalten seien, ihr eigenes Kreuz auf sich zu nehmen und darin ein klein wenig ihrem Meister ähnlich zu werden, bestreitet Ndifon vehement. Dieses persönliche Kreuz kann keine Krankheit sein. Auch der Apostel Paulus sei nicht krank gewesen. Der Stachel im Fleisch, von dem er spricht, war – laut Ndifon – durchaus kein körperliches Leiden. Hugo Stamm, der mit mir beim Apostel vorspricht und dem ich diese persönliche Begegnung verdanke, fragt sich, ob diese Wunder sich wissenschaftlich irgendwie belegen ließen. Die Antwort folgt – wieder mit strahlendem Lachen – auf dem Fuß. Selbstverständlich hätten noch und noch Ärzte diese Heilungen geprüft. Im Übrigen sei er selbst seit seiner Ausbildung zu seinem ersten Beruf als Ingenieur auch bestens mit wissenschaftlichem Denken vertraut. Zum Beleg lässt er uns CDs mit Berichten von seinen Wunderheilungen übergeben.

Zurückgekehrt in den Saal zu der singenden und seit einer guten Stunde auf den Apostel wartenden Menge – auffallend viele Menschen mit schwarzafrikanischen Wurzeln sind im Saal präsent – wird uns bald bewusst, wie schmerzlich hier das Selbstverständnis des Apostels auf die Realität der Krankheiten und Behinderungen stößt. Denn entweder löst Ndifon eine wahre Wunderwelle aus. Oder dieser Abend wird für viele mit herber Enttäuschung enden. Ndifon steht unter Erfolgsdruck. Aber er lässt sich nichts anmerken. Zuerst singt er ein Glaubenslied ins Mikrofon. (Er ist ein guter Sänger.) Dann schürt er die bereits vorhandenen Wundererwartungen des Publikums noch zusätzlich, indem er alle zusammen unisono ihre feste Wundererwartung dem Himmel entgegenschleudern lässt. Der Himmel hat nun anscheinend keine andere Wahl mehr. Er muss wundertätig auch deshalb eingreifen, weil diese Wunder – wie mehrfach betont wird – die Beweise dafür sind, dass Jesus immer noch lebt. Dann spricht Ndifon im Stil eines christlichen Hellsehers von einem Menschen mit einer speziellen Hörbehinderung, den er vorne links im Saal vom Geist geführt erschaut. Er bittet den Angesprochenen, nach vorne zu kommen. Es kommen – aus dem ganzen Saal – ein halbes Dutzend Menschen mit Hörbehinderung nach vorn. Nun wendet sich Ndifon zwei Freunden zu, beide fast oder ganz gehörlos, und sich gegenseitig mit Gebärdensprache unterhaltend. Sie zu heilen sei völlig leicht. Er treibt den Geist der Taubheit mit dem beißenden Ruf „Out“ aus den tauben Ohren und beschwört die Hörnerven zu regenerieren. Der ganze Saal streckt seine Hände zu den tauben Freunden aus. Nach erfolgtem Heilungszeremoniell kommt der immer wieder erneute Hörtest. Offensichtlich „hören“ die beiden Freunde das Klatschen des Apostels hinter ihnen nur, solange sie eine kleine Luftbewegung verspüren. Der Apostel lässt aber nicht locker. Das kann und darf doch nicht sein, dass ausgerechnet schon die ersten beiden Wunder nicht eintreten. Immer wieder bemüht er sich um einen kleinen Erfolg. Er lässt die beiden erst zur Seite treten, als es ihm nach einem kurzen, halbwegs überzeugenden erneuten Hörtest gelingt, den Saal zu einem zögerlichen Applaus zu animieren. Die beiden „Geheilten“ verlassen das Podium. Unten im Saal fragen wir sie nach ihrem Ergehen. Sie geben enttäuscht zu verstehen, dass sich nichts, gar nichts, an ihrer Hörbehinderung verändert hat.

Analoges erleben Menschen mit Gehbehinderung. Scheinbar geheilt klimmen sie die Stufen zum Podium hinauf und werden dort aufgefordert zu zeigen, wie frei sie ihre Beine nun gebrauchen können. Eine Frau, soeben „geheilt“, will ihre Heilung besonders eindrücklich demonstrieren und will ohne Krücken und Begleiter die Treppenstufen zur Bühne herunter schreiten. Sie stürzt beinahe über ihre unbeholfenen Beine.

Noch manche analogen „Wunderheilungen“ muss nun der Zuschauer mit ansehen. Kein Wunder, dass sich der Saal schon ein wenig lichtet. Vielleicht haben sich in dieser Nacht der Wunder auch Wunderheilungen ereignet, die diesen Namen verdienen. Ausgeschlossen ist dies nicht. Der Heilige Geist ist eine das Leben verändernde Kraft. Und die Selbstheilungskräfte, im mächtig sich nach Heilung sehnenden Kollektiv wirksam ausgelöst, dürfen auch nicht unterschätzt werden. Überdies ist Ndifon ein an sich sympathischer Redner und Sänger. Als das jüngste von 14 Kindern hat er sich irgendwie einen Teil seiner Kindlichkeit erhalten. Er wirkt sehr menschlich, spontan und afrikanisch-herzlich. Schade nur, dass sein Geist ständig aus dem Raum der Realitäten ins fromme Märchen drängt und auch im Gespräch über misslungene Heilungen nicht mehr in die Realitäten zurückfindet. Zu seiner Entlastung mag man beibringen, dass jeder, der von Wunderveranstaltung zu Wunderveranstaltung reist, das gleiche Risiko auf sich nimmt. Wunder, die wirklichen und die vermeintlichen, führen uns an die Grenze der Alltagswelt. Kein Wunder, dass Menschen, die ständig an dieser Grenze leben, am Ende nicht mehr wirklich in die Alltagswelt zurückfinden. Am Ende muss die Welt so sein, wie der Wunderheiler sie sich denkt. Der fromme Wahn löst sich meilenweit von der harten Wirklichkeit. In der Nacht der Wunder in Zürich jedenfalls haben die Vorstellungen des Apostels und die Realität der Krankheit nicht mehr zusammengefunden. (www.christlove.org; www.christlove.tv)


Georg Schmid, Rüti/Kanton Zürich


Der Beitrag ist erschienen im Informationsblatt der Evangelischen Informationsstelle: Kirchen – Sekten – Religionen, Rüti/Schweiz, 44. Jahrgang, November 2007, 2f.