Esoterik

Esoterische „Ethik-Partei“ gegründet

Esoterische „Ethik-Partei“ gegründet. Am 13. März 2015 gründete der Unternehmensberater Berndt Schramm (Jg. 1946), der sich selbst als „Philosoph, Autor, Coach“ bezeichnet, in Seeon-Seebruck am Chiemsee die „Ethik-Partei“ (nicht zu verwechseln mit der 2003 gegründeten Zürcher „Dharma-Ethikpartei“).

Noch 2010 war Berndt Schramm bayerischer Landesvorsitzender der Partei „Die Violetten“ gewesen, die sich als „Partei für Spirituelle Politik“ versteht (vgl. MD 9/2002, 265-267; 9/2009, 338-342). Im April 2014 war Schramm dann kurzzeitig Gründungsvorsitzender der AfD im Kreis Traunstein, bevor er nun mit einer eigenen Partei das „zentrale Problem unserer Gesellschaft“ angehen will, das darin bestehe, „dass die Menschen viel zu wenig darüber wissen, wann das Leben tatsächlich beginnt, wann es definitiv endet und … was eigentlich der fundamentale Sinn des Lebens ist“. Ethik im Sinne der Partei meint dabei die Ziele „Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit“, die auf parlamentarischer Ebene zu wenig beachtet würden.

Parteivorsitzender Schramm, der nach eigenen Angaben 2009 auch ein ayurvedisches Kurkloster in Indien gegründet hat, entwickelte in den 1980er Jahren die Quan-Zen-Philosophie und die Quantologie (www.quantologie.de), denen es ausgehend von der Metaphysik Jean Émile Charons um den Nachweis geht, dass alle Informationen im Universum in den Elektronen eines universalen „psychischen Körpers“ gespeichert seien. Das gilt auch für das individuelle menschliche Gedächtnis, „das [sich] nicht im Gehirn, sondern in den Elektronen des Universums befindet“, das heißt, dass all unsere Erinnerungen auf einer Art „kosmischen Festplatte gespeichert“ sind. Daraus erklärt sich wohl das große Interesse Schramms an Fragen des Hirntods, des Komas, der Demenz und der Organtransplantation, die in seinen Vorträgen sowie in den „Leitlinien“ der neuen Partei – ein Parteiprogramm gibt es noch nicht – einen zentralen Platz einnehmen. Wenn die menschlichen Erinnerungen nicht im Gehirn, sondern im Universum sowie im Körper (als Teil des physischen Universums) sitzen, sind Fehlfunktionen des Hirns anders einzuschätzen als üblich. Schramm ist auch Inhaber der Firma Vivovis (vivovis.com), die eine zu dieser Weltanschauung passende alternative Demenztherapie durch die „elementare Heilkraft der Lebensenergie“ verkauft.

Die übrigen, wenig konkret bestimmten Anliegen der Partei gelten dem Einsatz gegen Gentechnik, Nahrungsmittelspekulation, Fracking und das Freihandelsabkommen TTIP sowie für das bedingungslose Grundeinkommen.

Die Parteigründung erfolgte mit 14 Mitgliedern, die Satzung sieht allerdings optimistisch schon genaue Regelungen für Tausende vor. Als Mitgliedsbeitrag wird immerhin 1 Prozent des Nettoeinkommens empfohlen.

Religiös-weltanschauliche Kleinstparteien sind in der Parteiengeschichte der Bundesrepublik keine Seltenheit. Neben einer ganzen Reihe christlicher Splittergruppen – am bekanntesten ist die Partei Bibeltreuer Christen (PBC) – zieht es seit Langem auch einige esoterisch Orientierte in die Politik. Die 2001 in Dortmund gegründeten „Violetten“, die sich unter anderem für Alternativmedizin und ein Verständnis von Krankheit als Weg zu Wachstum und Selbstheilung einsetzen, waren keinesfalls die ersten. Schon in den 1980er Jahren war die Partei „Neues Bewußtsein – die ganzheitlich-esoterische Partei Deutschlands“ gegründet worden, die sich u. a. für die Waldorfpädagogik sowie die Vermittlung des „esoterischen Menschenbildes“ in der Schule stark gemacht hatte. Geschichte ist auch die „Naturgesetz-Partei, Aufbruch zu neuem Bewußtsein“, welche die Weltanschauung der Transzendentalen Meditation in die Politik tragen sollte und das „yogische Fliegen“ als Heilmittel gegen die Übel der Menschheit propagierte. Sie war in den 1990er Jahren auf immerhin bis zu 0,3 Prozent Stimmenanteil bei Landtags- und Europawahlen gekommen, löste sich aber 2003 auf. Noch aktiv ist hingegen die 2010 in Augsburg gegründete „WasserPartei“, deren Mitglieder sich auch als die „PlanetBlauen“ und die „NaturWeißen“ bezeichnen.


Kai Funkschmidt