Die Bischöfin der Evangelisch-Lutherischen Kirche Nordelbiens, Marie Jepsen, reagierte auf die Frage eines Journalisten, ob denn der Dialog mit Muslimen nicht oft "blauäugig" geführt werde, wortkarg: "Lieber blauäugig als blind!"1 Dass der Dialog mit dem Islam "blauäugig" sei, wies der EKD-Ratsvorsitzende Manfred Kock entschieden zurück, doch Jürgen Schmude, Präses der EKD-Synode, mahnte an, dass wir "reden wollen, aber klar".2 Man muss sich auf eine solche Alternative nicht einlassen. Doch es gibt Verunsicherungen. Seit dem 11. September 2001 vergeht kaum ein Tag, da nicht irgendwo in der Republik ein "Dialog" zwischen Christen und Muslimen stattfindet. Die Gemeinsamkeiten der "abrahamitischen" Religionen werden hervorgehoben (ein Gott, ein "Vater im Glauben"), man versichert sich gegenseitig Hochschätzung, weist energisch "Feindbilder" zurück und beschwört gegenseitige Toleranz und Akzeptanz. Wollte man die schiere Quantität der Tagungen, Seminare, Podiumsdiskussionen, Workshops und Gemeindeabende zum Gradmesser der Qualität des Dialogs machen, dann wären wir in Deutschland sicherlich ein Musterland des interreligiösen und interkulturellen Dialogs. Doch es hat den Anschein, dass der Dialog in Kirche und Gesellschaft zum hektischen Aktionismus mutiert ist. Er verläuft oft willkürlich, ziellos, unklar in Methoden und Arbeitsweisen sowie mit falschen Erwartungen und Hoffnungen.
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Anmerkungen
1 "Blinde Annäherung", Kulturzeit, 3 sat, 12. Dezember 2002.
2 Epd-Basisdienst, 7. November 2002.