In mehreren Schweizer Kantonen lancieren derzeit die Jungfreisinnigen, also der Nachwuchs der schweizerischen Liberalen, eine Volksinitiative zur Abschaffung der Kirchensteuer für juristische Personen. Diesem Anliegen wird nun argumentative Unterstützung von unerwarteter Seite zuteil: Denn in der Freiburger Rede zum Ende seines Deutschland-Besuchs hat Papst Benedikt XVI. Gedanken geäußert, die durchaus als Verzichtserklärung verstanden werden können, was die fiskalische Kooperation von Staat und Kirche betrifft. Der Papst kritisierte, dass „die Kirche sich in dieser Welt einrichtet, selbstgenügsam wird und sich den Maßstäben der Welt angleicht. Sie gibt Organisation und Institutionalisierung größeres Gewicht als ihrer Berufung zur Offenheit. Um ihrem eigentlichen Auftrag zu genügen, muss die Kirche immer wieder die Anstrengung unternehmen, sich von der Weltlichkeit der Welt zu lösen. Sie folgt damit den Worten Jesu nach: ‚Sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin‘ (Joh 17,16). Die Geschichte kommt der Kirche in gewisser Weise durch die verschiedenen Epochen der Säkularisierung zur Hilfe, die zu ihrer Läuterung und inneren Reform wesentlich beigetragen haben. Die Säkularisierungen – sei es die Enteignung von Kirchengütern, sei es die Streichung von Privilegien oder ähnliches – bedeuteten nämlich jedes Mal eine tiefgreifende Entweltlichung der Kirche, die sich ja dabei gleichsam ihres weltlichen Reichtums entblößte und wieder ganz ihre weltliche Armut annahm … Die geschichtlichen Beispiele zeigen: Das missionarische Zeugnis der entweltlichten Kirche tritt klarer zutage. Die von ihrer materiellen und politischen Last befreite Kirche kann sich besser und auf wahrhaft christliche Weise der ganzen Welt zuwenden, wirklich weltoffen sein. Sie kann ihre Berufung zum Dienst der Anbetung Gottes und zum Dienst des Nächsten wieder unbefangener leben.“1
Diese Worte ließen, wie die Reaktionen zeigen, jene konservativen Kirchenkreise frohlocken, denen die Verzahnung von Staat und Kirche schon lange ein Dorn im Auge ist und die generell eine zu große Anpassung der Kirche an „weltliche“ Werte und Gegebenheiten bemängeln. Ebenso groß wie die Genugtuung auf konservativer war deshalb auch die Konsternation auf der reformorientierten Seite. Einige deutsche Bischöfe versuchten zwar, die Papstworte klein- und schönzureden, doch sollte man sich keinen Illusionen hingeben – was Papst Benedikt in Freiburg sagte, passt sehr zu einer Tendenz, die sich schon länger abzeichnet: Angesichts einer ebenso dramatischen wie verheerenden Glaubens- und Mitgliedschaftserosion in den Pfarreien haben sich vor allem konservative Kreise – und sie sind im Moment an der Kirchenspitze klar die einflussreicheren – vom Konzept der Volkskirche verabschiedet und setzen sozusagen auf eine „reine“, gewissermaßen gesundgeschrumpfte Kirche des „heiligen Rests“, die zwar klein und notfalls auch arm, dafür aber absolut glaubenstreu und dogmatisch zuverlässig ist.
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Anmerkung
1 Zit. nach www.badische-zeitung.de/freiburg/die-rede-von-papst-benedikt-xvi-im-freiburger-konzerthaus-im-wortlaut-49844396.html. (Internetseiten zuletzt abgerufen am 7.12.2011)